Statement zur Schließung des Württembergischen Kunstvereins

Liebe Besucher*innen, Freund*innen, Mitglieder, Nutzer*innen, Unterstützer*innen, Mitstreiter*innen und Mitgestalter*innen des Württembergischen Kunstvereins,

Sie alle machen den Württembergischen Kunstverein erst zu dem, was er ist: ein lebendiger Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst – und mit so vielen anderen Dingen, die uns bewegen.

Ab kommenden Montag, den 2. November 2020, müssen wir erneut auf Sie verzichten. Das ist bitter. Wie alle anderen Kunstinstitutionen in Deutschland müssen wir sämtliche nicht-virtuellen öffentlichen Aktivitäten des Kunstvereins sowie des Open Houses, das wir seit Juli diesen Jahres in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Altbau des Stuttgarter Kunstgebäudes etabliert haben, einstellen.

Das ist ein schwerer Schlag, denn mit viel Aufwand, Hingabe, Kreativität und Sorgfalt haben wir – wie alle anderen Kolleg*innen im Kulturbereich – in den letzten Wochen und Monaten Strukturen geschaffen, um gerade in dieser bedrückenden Situation der Pandemie sichere Räume der Begegnung zwischen Menschen zu ermöglichen. Und das mit Erfolg.

Uns ist der Ernst der derzeitigen Lage und die hohe Gefährlichkeit von SARS-CoV-2 zutiefst bewusst. Wir haben größten Respekt davor, und wir lehnen all jene Positionen entschieden ab, die diese Gefährlichkeit leugnen und von einer Corona-Diktatur sprechen, um ihre antidemokratischen Absichten zu kaschieren.

Wir sind zugleich der Überzeugung, dass die pauschale Einfrierung des Kunstbetriebs, der auch mit Freizeitgestaltung, aber vor allem mit poetischer, emanzipatorischer und sozialer Bildung zu tun hat, überdacht und auf breiter Ebene diskutiert werden muss. Denn wir werden noch eine ganze Weile mit dieser Pandemie leben müssen. Die aktuelle Schließung von Museen und Ausstellungshäusern, Theatern und Konzertsälen ohne eine individuelle Prüfung der jeweiligen Situationen halten wir für falsch. Stattdessen sollte es darum gehen, weiter daran zu arbeiten, wie wir unsere Häuser nicht nur für unser eigenes Programm optimal offen halten, sondern diese sicheren Räume, von denen die meisten Schulen nur träumen, auch teilen können.

Die vorerst letzte öffentliche Veranstaltung, die der Kunstverein durchführen darf, ist eine Kooperation mit der Staatsoper Stuttgart und betrifft das Stück Mellizo Doble (etwa Doppel der zweieiigen Zwillinge) mit und von den beiden zeitgenössischen Flamenco-Stars Israel Galván und Niño de Elche. Die französische Zeitung Le Monde hat über dieses Stück geschrieben: „Der Sturm, den Galván auslöst, tut in diesen Zeiten der Pandemie wahnsinnig gut.“ Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen, warum wir die poetischen sowie die widerständigen Kräfte der Kunst gerade jetzt brauchen.

Zur Unterstützung der lokalen und regionalen Kulturarbeiter*innen verzichtet der Württembergische Kunstverein am letzten Wochenende vor der Schließung auf Eintrittsgelder und bittet stattdessen um Spenden für die Künstler*innensoforthilfe.

Mit herzlichen Grüßen
Iris Dressler, Hans D. Christ
Direktor*innen des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart